Arbeiten wenn andere Freizeit haben oder Schlafen - das ist für viele Menschen Realität. Denn auf viele Dienstleistungen von z.B. Ärzten, Pflegepersonal, Bahn- und Busfahrern, Wachdiensten will und kann unsere Gesellschaft auch am Abend, in der Nacht und am Wochenende nicht verzichten. Die Lage der Arbeitszeit spielt für die Gesundheit von Beschäftigten eine ziemlich wichtige Rolle. Aus der Schichtforschung ist schon lange bekannt, wie Wechselschichten die körperliche und psychische Gesundheit von Beschäftigten beeinträchtigen. Das gilt besonders, wenn auch in der Nacht gearbeitet wird. Daher gelten für Nachtarbeiter auch besondere Schutzbestimmungen (§6 ArbZG).
Nachtarbeit und Gesundheit
Warum ist es gesundheitlich belastend, wenn man nachts arbeitet? Viele Körperfunktionen des Menschen arbeiten nach einer "inneren Uhr" und diese ist abhängig vom Tag-Nacht-Rhythmus. Tagsüber ist unser Körper auf Aktivität ausgerichtet, nachts auf Regeneration und "Reparaturmaßnahmen". Arbeitet ein Mensch dauerhaft gegen diesen Rhythmus an, indem er nachts arbeitet, dann kommt diese innere Uhr gewissermaßen ins Schleudern - der Körper kann sich nicht mehr ausreichend erholen. Die Konzentration lässt nach: Das Unfallrisiko steigt in der Nachtschicht um rund 30%.
Das Unfallrisiko steigt in der Nacht um etwa 30%
Bis zu 90% der Beschäftigten in Schichtarbeit berichten in Studien beispielsweise von Schlafstörungen. Untersuchen belegen, dass Nachtarbeiter oft mit dem Schlaf kämpfen - rund 50% können ein kurzes Einschlafen nicht verhindern, 20% schlafen nachts in einer Studie sogar dann ein, wenn sie wissen, dass sie beobachtet werden.
Schlafstörungen gehören zu den häufigsten gesundheitlichen Beschwerden bei Schichtarbeitenden mit Nachtschicht.
Schichtarbeiter leiden überdurchschnittlich oft an Erkrankungen des Magen-Darm-Traktes. Je nach Studie sind 20-75% aller Befragten davon betroffen. Sie klagen beispielsweise über Verdauungsprobleme und Magenschmerzen. Nach den Schlafstörungen sind dies die am zweithäufigsten festgestellten Symptome. Die Gründe sind vielseitig: Auch die Verdauungsorgane arbeiten nach einer inneren Uhr, die bei Schichtarbeit oft nicht berücksichtigt werden kann. Hinzu kommen unregelmäßigen Essenszeiten, je nach Schicht. In der Nachtschicht ist die Kantine in der Regel geschlossen und es wird weniger Wert auf gesundes Essen gelegt. Vielen Schichtarbeitern fehlt auch das Wissen, welche Nährstoffe der Körper wann besonders braucht. Menschen in Schichtarbeit sollten daher regelmäßig zu gesunder Ernährung bei Schichtarbeit geschult werden.
Als weitere Risikofaktoren bei Schichtarbeit sind Beschwerden des Herz-Kreislauf-Systems, der Leber und der Schilddrüse, Nervosität, Kopfschmerzen und Erschöpfungszustände bekannt.
Schichtarbeitende sollten sich aus diesem Grund regelmäßig ärztlich untersuchen lassen, damit Beschwerden sich nicht zu chronischen Erkrankungen verschlechtern.
Achtung auch bei frühem Beginn!
Nicht nur die Nachtschicht wirkt sich auf das Schlafverhalten aus, auch die Frühschicht. Der Schlaf vor einer Frühschicht ist bei Schichtarbeitern statistisch gesehen nach dem Schlaf zwischen zwei Nachtschichten der kürzeste.
Auch wer nicht in Schicht arbeitet und regelmäßig um 6 Uhr mit der Arbeit beginnt, steht nicht selten schon zwischen vier und fünf Uhr auf, um mit dem Auto oder öffentlichen Verkehrsmitteln zur Arbeit zu kommen - und verzichtet auf Schlaf. Die Erfahrung zeigt, dass Beschäftigte vor einer Frühschicht oft nicht früher schlafen gehen als bei einer Tagschicht. Über mehrere Tage baut sich ein Schlafdefizit auf. Die Beschäftigten leiden an Übermüdung, die zu einem erhöhten Fehler- und Unfallrisiko auch für Wegeunfälle führen kann. Wenn möglich, sollte der Arbeitsbeginn daher nicht vor 7 Uhr liegen.
Spätschichten reduzieren soziale Kontakte
Arbeit in der Spätschicht ist nicht direkt gesundheitsgefährdend. Nachmittags- und Abendstunden haben aber immer noch einen besonders hohen Freizeitwert. Am Abend und am Wochenende ist die Familie zuhause, treffen sich Freunde, Vereinsaktivitäten finden statt. Die Arbeitswissenschaften empfehlen daher, komplette Spätschichtwochen möglichst zu vermeiden. Wer maximal drei Spätschichten am Stück arbeitet, bleibt eher im sozialen Kontakt mit seinem Umfeld.
Drei, fünf oder gar 7 Schichten am Stück - was ist sinnvoll? Manche Beschäftigte arbeiten gerne möglichst viele Nachtschichten am Stück, denn dann hat man sie "hinter sich gebracht". Aus arbeitswissenschaftlicher Sicht verspricht das gegenteilige Modell mehr Nutzen: Untersuchungen zeigen, dass insbesondere bei Nachtschichten das Unfallrisiko (als ein stellvertretender Hinweisgeber für gesundheitliche Belastung) mit jeder Nachtschicht steigt.
Auch tagsüber, besonders aber bei Nachtschichten steigt die Unfallgefahr mit jeder weiteren Schicht an.
Ein weiterer Grund spricht für wenige Nachtschichten am Stück: Untersuchungen belegen, dass der Körper sich in der ersten und zweiten Nachtschicht kaum an die veränderte Wach-Zeit anpasst. Dieser Prozess startet erst ab der dritten Nacht. Wechseln Schichtarbeitende nach der dritten Nacht schon wieder in einen Tag-Rhythmus stellt sich der Körper daher besonders schnell wieder um. Nach 4-5 Nachtschichten fällt dies deutlich schwerer.
Arbeiten am Wochenende
Selbstverständlich ist das Arbeiten am Wochenende im Hinblick auf den Biorhythmus nicht gesundheitsgefährdender als Arbeiten während der Woche. Wer häufig am Wochenende arbeitet, hat es aber in unserer Wochenend-Gesellschaft schwerer, Kontakte zu pflegen und Zeit mit der Familie und Freunden zu verbringen. Schichtarbeiter beschreiben die Störungen ihres sozialen Lebens oft als besonders großes Problem. Ein gesundes soziales Netz gehört jedoch zu den zentralen Bedingungen für ein gesundes und zufriedenes Leben. Im Arbeitszeitreport 2016 der BAuA schätzen Beschäftigte, die auch samstags und sonntags arbeiten, ihre Gesundheit deutlich schlechter ein: Rückenschmerzen, Schlafstörungen, geistige und körperliche Erschöpfung kommen deutlich häufiger vor. Bei der Arbeitszeitgestaltung sollte daher darauf geachtet werden, dass möglichst viele Wochenenden komplett frei sind (zwei zusammenhängende Tage) und Beschäftigte ihre Wochenendarbeit mit beeinflussen können. Ein gutes Beispiel dafür findet sich im Praxisbeispiel Habig Supermärkte.
"Nicht der Mensch soll sich an schlechte Arbeitsbedingungen anpassen müssen, sondern die Arbeitsbedingungen müssen an den Menschen mit seinen biologischen und psychosozialen Voraussetzungen angepasst werden." Prof. Friedhelm Nachreiner, Arbeitszeitforscher
(in Anlehnung an die Empfehlungen der BAuA und des Gawo e.V.)